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Tödliche Liebe "Rusalka" an der Oper Köln

Tödliche Liebe

Grandiose „Rusalka“-Erstaufführung an der Oper Köln

Von Katja Sindemann

 

Die Oper „Rusalka“ des tschechischen Komponisten Antonín Dvořák vertont das bekannte Märchen von der fischschwänzigen Wasserjungfrau, die sich in einen Prinzen verliebt, menschliche Gestalt annehmen will und dafür der bösen Hexe ihre liebliche Stimme opfert. Zwar entbrennt der Königssohn in Liebe zu der schönen, stummen Fremden, doch vor der Hochzeit wendet er sich einer anderen zu. Die verlassene Nixe kann nur in ihre alte Existenz zurückkehren, wenn sie den Geliebten tötet. Doch trotz ihrer Demütigung entscheidet sie sich selbstlos dagegen – Drama pur!

 

Die Oper feierte ihre Premiere 1901 im Prager Nationaltheater. Die seit Jahrhunderten von Österreich-Ungarn beherrschten Tschechen ersehnten Freiheit im eigenen Nationalstaat. Slawische Mythen und Märchen sollten die Volksidentität hervorheben. Der aufblühende Jugendstil kleidete politische und gesellschaftliche Ideen in zart fließende, romantische Motive. Der Topos der Nixe - in Flüssen, Seen und Tümpeln verführerisch und todbringend zugleich hausend - geistert seit altersher durch die europäische Sagenwelt. Künstler haben die unheilvolle weil unerfüllbare Liebe zwischen Mensch und Wasserwesen immer wieder neu gestaltet. Dichter Jaroslav Kvapil hatte Hans Christian Andersens Märchen von der Kleinen Meerjungfrau vor Augen, als er 1900 „Rusalka“ - so der tschechische Name für den weiblichen Wassergeist des Volksglaubens – schrieb. Durch Vermittlung des Nationaltheaters wurde der eher als Symphoniker bekannte Dvořák auf das Libretto aufmerksam und komponierte eine tiefromantische Musik dazu. Nicht von ungefähr weilte er dabei oft an einem Waldtümpel in der Nähe seines Sommerhauses. So versah er die Wasserwesen mit emotional-dramatischen Themen. Nicht nur die Hauptfigur, auch der raunzende, patriarchale Wassermann oder die zynisch-realistische Hexe Ježibaba glänzen mit innigen Melodien.

 

Intendantin Dr. Birgit Meyer konnte es kaum fassen, dass es sich bei dieser „Rusalka“-Inszenierung um die Kölner Erstaufführung handelt. Ihr und Chefdramaturg Georg Kehren war es ein großes Anliegen, Regisseurin Nadja Loschky sowie weitere internationale Künstler dafür zu gewinnen, weshalb die Produktion um ein Jahr verschoben wurde. Der Erfolg gibt ihnen recht. Die Aufführung zeichnet sich durch eine grandiose Besetzung aus, sowohl gesanglich als auch schauspielerisch. Allen voran überzeugt die russische Sopranistin Olesya Golovneva mit mitreißender Stimme und großer Ausdruckskraft als liebende Wasserjungfrau. Ex aequo sind die Ensemblemitglieder Samuel Youn als väterlich-besorgter Wassermann und Dalia Schaechter als zornig-kluge Hexe Ježibaba zu nennen, die ihre Emotionen stimmgewaltig zum Ausdruck bringen. Tenor Mirko Roschkowski verleiht dem von seinen Gefühlen hin- und her gerissenen Prinzen ein lyrisches Timbre. Mezzosopranistin Adriana Bastidas-Gamboa verkörpert energiegeladen die Fremde Fürstin, die mit ihrer Verführungskunst den Prinzen skrupellos in ihren Bann zieht. Beachtung verdienen Insik Choi als Wildheger und Vero Miller als Küchenjunge des königlichen Hofstaates, die ihr Unbehagen über die seltsam-stumme Braut trefflich zum Ausdruck bringen. Miller hatte übrigens 2017 den 2. Platz beim Internationalen Musikwettbewerb Köln, mit dem dieses Engagement verbunden war, gewonnen und gab hiermit ihr Hausdebüt. Sehr originell dargestellt sind die drei Waldelfen, gespielt von Emily Hindrichs, Regina Richter und Judith Thielsen, die immer wieder neckisch-lasziv durch die Szenerie tanzen und die Konflikte der Hauptfiguren theatralisch kommentieren.

 

Ein besonderes Lob geht an das außerordentlich gelungene Zusammenspiel von Bühnenbild, Kostümerie und Lichtregie. Eine überdimensionale Welle aus geschwungenen Holzbrettern im Hintergrund symbolisiert die Urgewalt des Wassers, das sowohl nährende wie zerstörerische Kraft besitzt. In grünlich-bläulichem Licht stellt sie den verwunschenen Waldsee im 1. Akt, in braun-goldenen Tönen den königlichen Palast im 2. Akt und in milchig-grauem Spektrum die Todesszenerie im 3. Akt dar. Als konstante Requisite beherrscht ein überdimensionales Bett die Bühne, das in einer altdeutschen, mit Schiffstauen umschlungenen Eichenholz-Variante als Spielwiese für Wassermann, Waldelfen und Nixen dient. In der gold-weißen, verschnörkelten Barock-Version fungiert es als königliches Liebes- und Hochzeitslager. Ein antiquiertes, kaltes Krankenanstaltsbett aus Stahlrohren untermalt den tragischen Höhepunkt: Der liebeskranke Prinz erfleht den Todeskuss von Rusalka, die anschließend im Ungewissen verschwindet. Beeindruckend das stimmige Farbkonzept, das sich in Kostümen, Requisiten und Scheinwerferlicht widerspiegelt. Erdbraun der Wassermann und sein Gefolge, purpurviolett die fauchende Hexe und die sirenenhaften Elfen, in unschuldigem Weiß die hingebende Rusalka, schwarz die ränkeschmiedende Fremde Fürstin. Originell die Idee, wie die Nixen geschmeidig unter dem Bett hervortauchen und schlängelnd darunter verschwinden - wie es sich für richtige Wassergeister geziemt. Originell auch, wie bei der Verwandlung des Fischschwanzes in Menschenbeine die Hexe Rusalka aus der silbrig-glitzernden Bettdecke schneidet und ihr anschließend orthopädische Beinstützen verpasst. Ein Regieeinfall ist jedoch zu kritisieren: Dass die Quellwesen Rosenkränze tragen, Vater Wassermann mit Kruzifix am Hals sogar eine Bibel in der Hand hält, ist weder mit billiger Effekthascherei noch mit dem Verweis auf  Dvořáks Glaubensüberzeugung oder religiösen Einsprengseln im Text zu entschuldigen – es ist schlichtweg falsch. Mythische Undinen, Nymphen und Sirenen stehen dem Christentum per definitionem diametral gegenüber, auch wenn ihr Großmut, ihre hingebungsvolle Liebe und Selbstaufopferung spirituelle Tiefe offenbaren. Sie gehören dem heidnischen Glauben an, der von der christlichen Kirche bekämpft, unterdrückt und ausgerottet wurde, gerade auch in den slawischen Ländern. Dies ist ein Wermutstropfen in der ansonsten grandiosen Inszenierung.

 

Last but not least muss die musikalische Ausführung durch das Gürzenich-Orchester unter der Leitung von Christoph Gedschold, seines Zeichens Kapellmeister an der Oper Leipzig, hervorgehoben werden. Dramatik und Emotionalität werden perfekt transportiert. Das manchmal nicht ganz ausgewogene Verhältnis zu den Stimmen ist der Raumsituation und schlechten Akustik im Staatenhaus geschuldet, woraus die Oper Köln das Beste macht. Die Erstaufführung von „Rusalka“ ist jedenfalls eine Sternstunde des Hauses und erhielt zu Recht den tosenden Applaus des Premierenpublikums.

 

„Rusalka“ von Antonín Dvořák in der Oper Köln im Staatenhaus, weitere Termine siehe:

https://www.oper.koeln/de/programm/rusalka/4037

Photocredit Oper Köln © Paul Leclaire

 

 

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